Linux auf dem Desktop - erfolgreich ohne GNU?

Online seit Sa 09 Februar 2013 in blog

Vorbemerkung: Diesen Blogpost habe ich aus meinem alten Blog herübergerettet, vielen Dank an das Internet Archive. Heute ist der 06.03.2022, den Post finde ich immer noch lesenswert – nicht nur als Zeitdokument, aber auch als solches.

„Dieses Jahr wird das Jahr von Linux auf dem Desktop!!! Dieser Satz ist in den letzten Jahren zum Treppenwitz verkommen, da die Weltherrschaft des Desktop-Linux mittlerweile so lange angekündigt wird wie Duke Nukem Forever.

Doch mittlerweile ist es vielleicht gar nicht so unrealistisch, dass Linux einen ernstzunehmenden Marktanteil auf Desktop-PCs und normalen Notebooks bekommt. Und zwar einerseits, da Linux Distributionen mittlerweile recht benutzerfreundlich geworden sind, aber auch insbesondere deshalb, weil kommerzielle Systeme sich den klassischen Desktop zunehmend vernachlässigen: Der neue heiße Scheiß derzeit sind ja Tablets, weshalb auch Microsoft bei Windows 8 den Fokus schon zunehmend auf mobile Geräte mit Touchscreen gelegt hat.

Also müssen jetzt diese ganzen IT-Dinosaurier mit den großen alten hässlichen Tower-PCs sich entweder mit einer eigentlich für Touch Devices gedachten Oberfläche anfreunden, oder sie können sich ein Linux installieren und dort ein eher klassisches Desktop-Paradigma bekommen. Selbst Unity ist näher an der vom Gewohnheitstier Mensch gewünschten Oberfläche.

Auch viele Gamer werden vielleicht demnächst ein Linux unter ihrem Steam zu laufen haben, da der Steam Store in direkter Konkurrenz zum Windows8-Store steht und Microsoft ja ein monotheistisches OS haben möchte. Und selbst Microsoft überlegt angeblich, Office auf Linux zu portieren. Also alles schön und gut, der klassische Desktop-PC wird demnächst vielleicht mit Linux laufen.

Doch viele der neuen User haben noch nie von Free Software gehört, sie wurden sogar im Gegenteil etwa von Chip Online darauf konditioniert, dass das doch auch alles nur Freeware wäre.
Jedesmal wenn meine Eltern sich wieder neue Adware wie die Ask Toolbar unter Windows einfangen, nur weil sie beim Durchklicken der setup.exe das versteckte Häkchen übersehen habe, lächele ich mitleidig. Sowas kann mir gar nicht passieren, keine Distribution würde Open Source Software jemals mit irgendwelchem zusätzlichen Crap bundlen. Und selbst wenn, ich könnte zur Not die Software ohne die Spyware selbst kompilieren.

Doch soetwas scheint dem „normalen User“ egal zu sein, ersiees kennt es nicht anders. Steam ist proprietäre, geschlossene Software von der ich nicht weiß, was sie alles mit meinem Computer anstellt, und Microsoft Office würde eher offenen Dokumentenformaten schaden anstatt ihnen zu nützen.

Den Nutzern werden auch viele Windowsentwickler folgen, welche ihren Gewohnheiten freien Lauf lassen werden: Ihre nicht quelloffene Software wird keinen Weg in die Softwarequellen der Distributionen finden sondern muss als statisch kompilierte setup.run Datei installiert werden. Jedes Programm bringt dann seine eigene Version der libcurl mit, weshalb unnötig viel Festplattenspeicher verbraucht wird und jede Sicherheitslücke vom programmeigenen Update-Daemon gefixt werden muss.

Ich bin kein Free Software Fanatiker sondern finde bloß die Vorteile von quelloffener Software, insbesondere von freier Software, extrem praktisch. Ich habe Angst, dass Linux mit zunehmender Popularität auch zunehmend die Probleme von Windows übernimmt. Was bringt mir dann noch der Linuxkernel? Der verschwindet bloß wie ein kleiner Goldbarren in einer riesigen Müllhalde.

Die ersten Anzeichen sind da: Aktuelle Ubuntu Installationen erinnern mich zunehmend an mit Testversionen verseuchte Windows-OEM Versionen. Die Amazon Integration ist auf bestem Wege, die neue Ask-Toolbar zu werden.